Diesen Zeitungsausschnitt bekamen wir von Herrn Dr. Rauschenbach, dem Leiter des Goetheinstituts. Er beschrieb uns sehr genau wo sich der Vorfall ereignet hatte. Die im Artikel beschriebenen Freunde des Amerikaners waren nicht wir, sondern seine Kollegen vom Peace Corps.
Der amerikanische Entwicklungshelfer war Mitarbeiter des amerikanischen Peace Corps, dem Äquivalent des DED (Deutscher Entwicklungs Dienst). Angeblich hatte er die Warnungen der Einheimischen vor dem Krokodil im Fluss ignoriert. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: "Hier gibt es keine Krokodile!"
Wir hatten uns auf den Weg gemacht um die Örtlichkeiten anzuschauen und zu fotografieren. Nicht aus Neugier, sondern weil uns der Leiter des Goetheinstituts darum gebeten hatte.
Er brauchte Details, um Anschauungsmaterial zur Vermeidung ähnlicher Vorkommnisse für die Zukunft zu erstellen.
Wie es in Afrika üblich war, mussten die Frauen das Wasser aus dem Fluß holen und es in Behältern und Krügen zu ihren Dörfern und Hütten schleppen. Die Frauen trauten sich aber nicht mehr ins Wasser, um die Krüge mit Wasser zu füllen. Es musste eine Lösung her. Es stellte sich die Frage: Was ist mehr wert, das Leben der Frauen, der Menschen im Dorf oder das Leben eines menschenfressenden Krokodils?
Die Antwort war klar, die Frauen mussten vor dem Reptil geschützt werden. Das Krokodil musste entfernt werden.
Nach Rückfrage bei Vertrauensleuten stellte sich heraus, daß der Weg um einen offiziellen und zertifizierten Großwildjäger zu beauftragen und die Genehmigung zum Abschuss einzuholen, lang war. Für die einheimische Bevölkerung zu lang. Das Resümee aus der Diskussion mit dem Dorfältesten war klar: Das Krokodil muß weg. Sofort. Der Weg über die Genehmigungen dauerte ewig!
Der Zufall kam uns zur Hilfe: Bei den Gesprächsrunden nach unseren Diavorträgen hatten wir eine Familie kennengelernt und waren dort auch einmal zum Essen eingeladen. Der Hausherr betrieb in Addis Abeba eine Schlosserei und war Jäger. Das erneute Gespräch mit ihm ergab, er selbst würde das Krokodil nicht schießen wollen, um sich keinen Ärger mit den Behörden einzuhandeln. Er würde mir aber sein großkalibriges Repetiergewehr mit Zielfernrohr ausleihen. Ich müsste ihm ja nicht sagen, daß ich damit nicht nur auf den Schießstand gehen wollte. Auch spendierte er eine Handvoll Patronen, (9,3 x 74R, Archivbild aus dem Internet, (C) by Sumatra, CC BY-SA 4.0) vor allem, damit der Schütze sich „einschießen“ konnte.
Um keine Zeugen zu schaffen, war außer mir nur der Dorfälteste vor Ort. Er hatte etwas angegammeltes Fleisch am flachen Teil des Ufers deponieren lassen. Dann begann das lange Warten. In der Mittagszeit gingen Krokodile gerne an Land um Sonne zu tanken. Das Warten und das in „Deckung bleiben“ hatten sich gelohnt. Das Krokodil kam an Land, genau dort wo das vergammelte Fleisch lag. Mit nur einem gezielten Schuss habe ich das Problem „menschenfressendes Krokodil im Fluss wo es nicht hingehört“, gelöst.
Der Dorfälteste bedanke sich überschwänglich. Zurück im Dorf wollten alle Frauen mir, dem Schützen, etwas schenken. Ich aber wimmelte ab, denn ich war „vorgewarnt“: Es hätte passieren können, dass der Schütze, der das Dorf vom Krokodil befreit hatte, aus Dankbarkeit zum Ehrenhäuptling ernannt worden wäre. Dann hätte ich aber u.U. die Tochter des Häuptlings heiraten müssen. Um keine Beweismittel zu schaffen, habe ich keine Fotos gemacht. Später erfuhr ich, das Krokodil soll über 5 Meter lang gewesen sein. Drei Dorfbewohner hätten fast zwei Tage gebraucht um das Krokodil zu häuten. Die Haut sollte gegerbt und verkauft werden. Für die Dorfbewohner war die Welt wieder in Ordnung.
Die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner konnten wieder gefahrlos aus „ihrem“ Fluss das Wasser holen und weiter Fluss abwärts ihre Wäsche waschen.
Wir fragten uns, warum die Leute vom PEACE CORPS sich nicht um das Krokodil „gekümmert“ hatten. Es hatte schließlich einen von ihren Leuten gefressen. Diese aber wollten den „Dienstweg“ gehen, erfuhren wir. Dem Dorf am Fluss hätte das aber möglicherweise noch weitere Menschenleben gekostet.
Noch während wir auf dem Gelände der WINGATE SCHOOL in Addis campierten, stand eines Morgens ein junger Mann bei unseren Fahrzeugen und „guckte uns jeden Bissen unseres Frühstücks in den Mund“. Er suchte das Gespräch und hatte offensichtlich Hunger. Da wir nur 4 Sitzgelegenheiten mitführten, musste er stehen. Henner schmierte ihm ein Brötchen. Die Bäckerei lag gleich auf der anderen Straßenseite. Er schien sehr hungrig zu sein. Es blieb nicht bei einem Brötchen. Henner ging "nachkaufen".
Wir erfuhren von ihm, dass er als arbeitsloser Kenianer in Äthiopien unwillkommen sei. Er hatte kein Geld und keine Unterkunft. Dann versuchte er den ganzen Tag lang, sich bei der Küchenarbeit und den Reinigungsarbeiten „nützlich“ zu machen, was Henner aber gar nicht gefiel. Uns anderen auch nicht. Er war für uns ein Fremder. Wir wussten mittlerweile, dass einige Schwarzafrikaner es mit dem Eigentum anderer nicht so genau nahmen.
Dieser Vorfall wiederholte sich von nun an täglich. Jeden Morgen stand Peter, so hatte er sich vorgestellt, bei unseren Fahrzeugen. Er wollte von uns verpflegt werden. Auch wollte er sich uns anschließen. Wir sollten ihn mitnehmen nach Kenia. Mit Engelsgeduld versuchten wir ihm klarzumachen, dass er nicht mit uns mitfahren konnte. Er hatte keine Papiere und kein Geld. Wir für ihn keinen Schlafplatz. Alles in den Bussen, von der Kaffeetasse bis zu den Betten, war für vier Personen ausgelegt. Einen zusätzlichen Esser konnten und wollten wir nicht durchfüttern. Wir hatten uns Arbeit in Addis gesucht und gefunden und arbeiteten für unseren Lebensunterhalt. Es zeichnete sich ja bereits ab, dass wir nur per Schiff, also um das Horn von Afrika herum mussten und zusätzliches Geld für die Passage benötigten.
So langsam wurde auch Peter klar, er konnte nicht mit uns mitfahren. Er schrieb uns den auf der nächsten Seite einkopierten „herzzerreißenden“ Brief, in dem er uns noch einmal schriftlich seine Lage darlegte. Wir konnten sein Problem nicht lösen. Er kündigte an und drohte damit, sich umbringen zu wollen. Wir konnten und wollten uns aber nicht erpressen lassen. Wir mussten weiter, ohne Peter.
Hier sein "Abschiedsbrief"
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