Das lange Warten in Addis Abeba auf das TRAVEL PERMIT für Kenia hatten wir satt. Es war auch nicht abzusehen, ob es wegen der Unruhen im südlichen Äthiopien überhaupt ausgestellt werden würde.
(C) Bild aus Wikipedia von "metrancya, CC BY-SA 4.0)
Nach der Kontaktaufnahme zu meinem alten Freund Peter K. in Bremen, er war von Beruf Seehafen-Spediteur, nahm ich Kontakt zur DAL auf. (Deutsche Afrika Linien) Bekanntlich schaden Beziehungen nur dem, der keine hat. Es gelang ihm, eine sehr preiswerte Passage auf einem Schiff der DAL von Djibouti um das Horn von Afrika herum nach Mombasa zu bekommen.
Um aber nach Djibouti zu gelangen, muss die Danakil-Wüste durchquert werden. Das ging per Auto aber nicht. Die Autos mussten auf einen Zug der Äthiopischen Eisenbahn verladen werden. Bis zum Ort Dira Dawa führte eine befahrbare Straße. In Addis bestellten wir für den Zug von Dire Dawa nach Djibouti, Abfahrt am 4. Mai 1966 um 20:30 h, einen Flachwaggon für unsere 2 VW Busse. Nachmittags erreichten wir den Bahnhof von Dire Dawa.
Der Flachwaggon stand an einer Verladerampe bereit. Das Verladen der Autos geschah mit dem in Afrika üblichen Geschrei und Kompetenzgerangel der Eisenbahner untereinander. Bis 20 Uhr waren unsere Busse aber noch nicht mit Seilen, Ketten und Spannvorrichtungen auf dem Flachwaggon gesichert. Wieder gab es das typische sehr laute Palaver, bis wir erfuhren: DAS wäre unsere Sache. Aber wie? Wir hatten nicht die nötigen Taue, Ketten und vor allem nicht die Kenntnisse. Bis zur Abfahrt wurden unsere Fahrzeuge dann aber doch gegen ein Bakschisch fachgerecht gesichert. Um 20:55 h setzte sich der Zug in Bewegung.
Der „Abstieg vom 1.300 Meter hochgelegenen Dire Dawa zur Küste nach Djibouti begann. Schnell wurde uns klar, warum die Busse sehr aufwendig vertäut worden waren. Die Spurweite der Bahn betrug 1 Meter (die grüne Linie oben auf der Karte). Der Zustand des Gleisbettes glich eher dem einer Feldbahn. Auf dem Dach der Bus sitzend musste man sich schon gut festhalten.
Entsprechend ruckelte und schaukelte es. Wir hatten darauf bestanden, in unseren Autos zu schlafen. Das wiederum löste erneut eine lautstarke Diskussion aus, die aber auf die bewährte Methode mit einem Bakschisch genauso schnell beendet war.
Es wurde sehr warm bis heiß in den Wagen, trotz geöffneter Scheiben und Lüftungen. Der Zug „raste“ mit geschätztem Tempo eines Radfahrers dahin. Um 4:00h nachts hielt der Zug an der Grenzkontrolle Äthiopien / Französisch Somalia. Mit unseren Westdeutschen Papieren ging die Abfertigung sehr schnell. Gleich nach Sonnenaufgang kletterten wir wieder auf die Dachgepäckträger unserer Autos. Um 8 Uhr früh erreichten wir Djibouti.
„Unser“ Schiff sollte am 10. oder 11. Mai 1966 ankommen. Es war also an der Zeit, die Stadt Djibouti zu erkunden und einen geeigneten Platz für uns zu finden. Als wir unschlüssig an einer Kreuzung standen, hielt ein Taxi neben uns. Ein Mann stieg aus und sprach uns auf Deutsch an. Nach kurzem Gespräch schlug er vor, wir könnten bei seiner Bar bzw. seinem Café auf seinem Grundstück campieren bis unser Schiff abfährt. Dort wären wir sicher. Er hieß Dieter Mousong, ein ehemaliger Fremden-Legionär der in Djibouti geblieben war. Dieters „Bar de la Garde“ war nun unser „Quartier“. Da es in Djibouti sehr heiß und feucht war, bot der Hausherr uns an, in seinem Haus in einem Raum mit Deckenventilatoren zu schlafen. Das nahmen wir gerne an. Djibouti, damals Französisch Somalia, war sehr teuer, bedingt durch den „Kolonial Franc“, der im Wechselkurs fast doppelt so teuer war wie der Franc im Stammland Frankreich.
In der Bar vom Dieter hingen viele Bilder an den Wänden und sonstige Gegenstände wie abgeschnittene Schlipse etc. Auf einem Bild entdecken wir ein Gesicht, das uns sehr bekannt vorkam. Das Bild zeigte Freddy Quinn in Legionärsuniform. Wer kannte nicht sein Lied: „Brennend heißer Wüstensand“? Laut Freddys Biographie war er mal „Legionär auf Probe“ in Sidi bel Abbes (Algerien) gewesen. Egal, der Liedertext über den brennend heißen Wüstensand machte sowohl für Djibouti wie auch für Sidi bel Abbes Sinn.
Die Wartezeit bis zur Abfahrt „unseres“ Schiffes verbrachten wir mit Nichtstun und Baden am Strand des Roten Meeres. Zwei Legionäre (Deutsche) gesellten sich zu uns. Man sah in uns wohl so etwas wie eine Nachrichtenquelle, zu Zeiten in denen es weder Internet noch Mobil-Telefone gab. Beide standen im Dienstgrad von Unteroffizieren (Sous-Officiers). In der Strand-Bar gab es das ein und andere Bier. Man lud uns für den Abend zum „Ball de Camerone“ ein.
Der Ball war ein Fest der Legion, das unter freiem Himmel in einem Park stattfand. Die Tanzkapelle spielte den Charleston im gleichen Rhythmus und Tempo wie Walzer und Tango! Den Damen und den Herrn Legionären schien das zu gefallen. Es wurde eine lange Nacht. An diesem besagten Abend erzählte uns ein Offizier der Legion (Franzose) die unglaubliche Geschichte über einen Vorfall mit somalischen „Kindersoldaten“. Diese Jungs waren nach offiziellem Sprachgebrauch Partisanen. Sie stammten nicht aus franz. Somalia, sondern aus dem 1960 entstandenem Zusammenschluss vom Britischen und Italienischen Kolonialgebiet Somalias.
Das Lesen des folgenden Betrages ist nichts für zart besaitete und / oder Leserinnen und Leser mit schwachen Nerven
Diese Geschichte haben wir nicht selbst erlebt. Sie wurde uns so von einem Offizier der Fremden - Legion erzählt und von einigen Unteroffizieren bestätigt.
Die Grenze zwischen Französisch Somaliland und Somalia wurde von den Fremdenlegionären gesichert. Dabei kam es immer wieder zum Aufeinandertreffen mit bewaffneten Gruppen aus dem anderen Landesteil. Dabei handelte es sich teils um offizielle Streitkräfte, also uniformierte Soldaten wie auch um „vagabundierende bewaffnete Zivilisten Gruppen und sog. Kindersoldaten“. In den meisten Fällen verliefen diese Zusammentreffen friedlich. Jede Seite zog sich auf „seinen“ Landesteil zurück. Eine Begegnung aber „lief aus dem Ruder“. Eine Gruppe von fünf nicht uniformierten bewaffneten Kindersoldaten fing mit einer Grenzpatrouille der Legionäre Streit an. Es wurde heftig diskutiert und man schrie sich an. Der ca. 15 jährige Rädelsführer der Knaben verstieg sich in die Behauptung, er, als tiefgläubiger Moslem wäre gegen alle Angriffe von Ungläubigen, immun. Kein Ungläubiger könnte ihn auch nur verletzen oder töten. Kugeln, abgefeuert von einem Ungläubigen, würde um ihn herum fliegen. Er berief sich auf den Koran und schrie, „um Allah zu gefallen werde ich Euch jetzt alle töten!“ Es folgten weitere schwerste Beleidigungen der anwesenden Legionäre und der französischen Nation. Die Lage eskalierte. Der muslimische Knabe richtete seine Maschinenpistole auf die Grenzpatrouille. Der Unteroffizier der Grenzpatrouille zog seine Waffe und zielte auf den außer Rand und Band geratenen „Anführer“ der Kindersoldaten. Der Knabe provozierte und beleidige weiter und schrie immer wieder: „schieß doch - schieß doch, Allah will nicht dass Du mich triffst. Ich bin ein Auserwählter“. Die Situation wurde brenzlig. Irgendwann reichte es dem Unteroffizier, er musste seine Gruppe schützen. Er drückte ab. Der Knabe fiel tot um. Der Unteroffizier hatte sich so verhalten, wie es ihm in der Ausbildung beigebracht wurde. Ziele und treffe immer auf Beine: Nasenbein oder Brustbein. Was nun geschah war nicht voraussehbar gewesen. Die übrigen Jungs richteten sich nicht etwa gegen die Fremdenlegionäre, sondern gegen ihren, nun tot daliegenden „Anführer und Wortführer“. Sie bespuckten ihn und urinierten auf seinen Körper mit den Worten: Du Heuchler, du Lügner, du warst gar kein gläubiger Moslem, du warst ein Verräter. Sie nahmen seine Maschinenpistole, ließen ihn liegen und trollten sich. Den Rest sollten wohl die Geier, Kojoten und Hyänen "erledigen".
Endlich, am 11.Mai 1966, „unser Schiff“, die KALAHARI, war angekommen. Nachmittags wurden unsere Autos mittels Kran verladen.
Wir bekamen zwei Kabinen.
Wie üblich auf Frachtschiffen waren die Kabinen sehr komfortabel.
Am Abend vor der Abreise hatte Dieter, der Barbesitzer, es sich nicht nehmen lassen, uns zu einem Grillabend einzuladen. Es gab Wild. Das schmeckte so gut, daß wir uns genau erkundigten was wir da gerade gegessen hatten. Es waren zwei gegrillte Dikdiks, afrikanische Zwergantilopen. Die standen von nun an auf unserem Speiseplan.
Laut Fahrplan sollte unser Schiff, die MS KALAHARI der Deutschen Afrika Linie, von Djibouti nach Mombasa in Kenia fahren. Wir waren nicht die einzigen Passagiere. Frachtschiffe durften seinerzeit bis zu 12 Passagiere mitnehmen, ohne einen Arzt an Bord haben zu müssen. Tagsüber lagen wir in den Liegenstühlen an Deck oder spielten mit den anderen Passagieren Shuffleboard.
Aus der Ankunft in Mombasa wurde nichts. Vor Mombasa (Kenia) lagen sehr viele Schiffe auf Reede. Wie uns der Kapitän mitteilte, neuer Hafen war Daressalam (Tansania). Kürzere Liegezeit auf Reede. Auf Frachtschiffen war es nicht anders als auf Passierschiffen. Der Kapitän ist für die „Verlustierung“ seiner Passagiere zuständig. Nun hatten wir wohl beiläufig erwähnt, daß wir Diavorträge dabei hätten. Der Kapitän ließ vom Chefsteward anfragen, ob wir für die Passagiere und die Offiziere einen Lichtbildervortrag halten könnten, als Honorar bot er an, unsere Getränke- Rechnung, die wir an der Bar gemacht hatten, „aufs Haus“, oder besser gesagt, „aufs Schiff“ gehen zu lassen. Wer kann da schon nein sagen?
Die zwei Tage auf Reede vor und im Hafen von Daressalam nutzen wir, um die Visa für die Ein- bzw. Durchreise zu besorgen. Der Weg vom Schiff an Land wurde mit einer kleinen Hafenfähre bewerkstelligt. Unsere Papiere waren auf Mombasa / Kenia ausgestellt. Die mussten nun für Daressalam / Tansania erneuert werden.
Das Ausschiffen in Daressalam brachte es mit sich, daß wir nun nach Nairobi, also nach Norden und dann nach Westen fahren mussten. In Nairobi warteten das Goethe-Institut und der Kulturverein auf uns. Im Büro des Automobilclubs in Daressalam erkundigten wir uns nach einem befahrbaren Weg Richtung Nairobi / Kenia. Man empfahl uns den Weg über den Ort Bagamoyo zu nehmen. Der Ort Bagamoyo war zur deutschen Kolonialzeit in den Jahren 1888 bis 1891 die Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika.
Die Lutherische Kirche Daressalam
Durch den Zeitverlust in Addis Abeba war meine akribische Zeitplanung bezüglich der Regenzeit durcheinander gekommen. Die „Straße“ nach Norden war stellenweise in den Senken voll Regenwasser gelaufen. Also, kleinen Gang einlegen, Vollgas und durch.
Nach unseren Erfahrungen mit Wüstensand und Sandstürmen kam nun die Lehrstunde „Wasserdurchfahrten“ hinzu. Auf nach Kenia.
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