Erstes Ziel von Norden kommend in Tansania war der Ort Arusha. 1966 eine verschlafene Kleinstadt. Von dort weiter in Richtung in Moshi zur Kaffeefarm der Familie Wolter, gelegen am Fuße des Kilimanjaro. Der war der Blickfang, aus großer Entfernung und nicht zu übersehen, der ca. 6.000 Meter hohe und schneebedeckte Kilimanjaro. Dort wollten wir hinauf.
Aber unser erstes Ziel war die Kaffeefarm von Familie Wolter. Bei Familie Wolter hatten Heinz und Helmut in Nairobi durch Vermittlung des Leiters vom Goethe-Institut campiert. Man hatte uns eingeladen „doch mal vorbei zu kommen“. Wir wurden herzlich, wie alte Freunde, begrüßt. Die Kaffeefarm war sehr groß. Es war die Zeit der Kaffeeernte. Viele Helfer auf der Farm pflückten und bearbeiteten den Rohkaffee.
Alles wurde von fleißiger Arbeiterinnen und Arbeitern in Handarbeit erledigt.
Von hier starteten wir zum MARANGU Hotel, unserem Ausgangspunkt für den Aufstieg zum Kilimanjaro. Durch Vermittlung konnten wir dort unsere Fahrzeuge sicher unterstellen. Der Ausgangspunkt lag auf ca. 1800 Metern Höhe. Ausgerüstet mit drei Rucksäcken, einer Umhängetasche, einem Seesack, unseren Kameras, Feldflaschen und Verpflegung für 5 Tage starteten wir vor 9:00 Uhr morgens zur ersten Etappe unseres Vorhabens: „Besteigung des Kilimanjaro“.
Ohne Träger, ohne Führer. Jeder von und schleppte ca. 20 Kg mit sich. Erstes Ziel: die MANDARA Hütte, früher BISMARCK Hütte genannt. Die Hütte befand sich auf 2700 Metern Höhe. (Zugspitze = 2900 m). Auf halbem Weg der 16 km langen Strecke musste Helmut meinen Fuß verarzten, hatte mir eine Blase gelaufen.
Auf dem Weg begegneten wir einem sehr alten Mann von Stamme der Tschagga. Er sprach uns auf Deutsch an und fragte, ob Kaiser Wilhelm noch leben würde. Er sei Askari, also Soldat, bei der deutschen Schutztruppe gewesen. Dann zeigte er auf seine rechte Hand. Die habe ihm einst der Kommandant Lettow-Vorbeck geschüttelt! Seitdem habe er die Hand aus Ehrfurcht nicht mehr gewaschen. Das konnte man glauben, wenn man auf seine Hand schaute. Am frühen Nachmittag erreichten wir die Hütte. Im Kamin brannte ein Feuer. Drei Jungen, Verwandte des „Hüttenwirts“, zeigten uns die Pritschen / Schlafstellen mit Matratzen. Unsere Schlafsäcke hatten wir dabei. Unser Essen auch, denn wir hatten ja keine Tour mit Trägern gebucht. Die Nacht war kalt.
Das zweite Etappenziel war die HOROMBO Hütte. Die Entfernung zwischen den Hütten auf dieser Route betrug jeweils ca. 10 Meilen, also ca.16 Kilometer. Das bedeutete mindestens 6 Stunden Fußmarsch, immer bergauf. Plus Pausen. Alle halbe Stunde legten wir „Flachland- Tiroler“ eine Verschnaufpause ein. Den Wald hatten wir hinter uns. Die Baumgrenze auch. Nun lag eine Hochebene vor uns. Diese erinnerte uns an die Lüneburger Heide. Auch auf die Wolken schauten wir nun von oben herab. Um 16 Uhr erreichten wir die unbewirtschaftete Horombo Hütte auf 3700 m Höhe. Zum Vergleich, Großglockner = 3798 Meter Höhe. Die Luft wurde merklich dünner. Das Atmen fiel schwerer.
Die letzte Wasserstelle lag so um die 2 Kilometer hinter der Horombo Hütte. Von nun an musste jeder von uns seinen „Wasserbedarf“ selbst bestimmen und mitnehmen. Zu diesem Zweck hatten wir faltbare, leichte 5 Liter Cubitainer und unsere Feldflaschen dabei.
Auf dem Weg zum Gipfel lag die dritte und letzte Hütte auf einer Höhe von 4700 Metern. Zum Vergleich: die Höhe des Mont Blanc war mit 4742 Metern angegeben. Bis dahin lagen noch einmal ca.16 Km vor uns. Zwischen dem Kilimanjaro und dem Nachbarberg Mawensi musste eine etwa 3 km lange Hochebene durchquert werden. Im Normalfall unproblematisch, wenn nicht plötzlich Wolken aufzogen, Sichtweite praktisch NULL! Da galt: Plastikfolien um den Körper und die Rücksäcke, hinsetzen und warten bis die Wolken abgezogen waren. Aus den Wolken fiel etwas Schnee. Am späten Nachmittag erreichten wir die Kibo Hütte. Innen: nur Holzpritschen, keine Matratzen. Es war eine kalte, sehr harte Nacht.
Gegen 18 Uhr krochen wir in unsere Schafsäcke. 2 Paar Socken, und alles was wir zum Anziehen dabei hatten wurde angezogen. Dann noch eine Plastikfolie über den Schlafsack gezogen und der Versuch zu schlafen begann. Puls war im Ruhezustand bei 120.
Um 1:15 Uhr Aufbruch zur letzten Etappe. Aufstieg zur Kaiser Wilhelm Spitze oder, wie der Gipfel inzwischen umgetauft wurde, zum Uhuru Point auf 5895 Meter. Der Aufstieg war eine einzige Qual. Der Pfad führte serpentinenartig durch ein Geröllfeld mit ~ 45 Grad Neigung. Machte man drei Schritte vor, rutschte man einen Schritt zurück. Wir wollten zum Sonnenaufgang unbedingt „oben“ sein, um den Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu erleben. Wieso war die Kamera plötzlich gefühlt doppelt so schwer wie im Tal? Wie geht das, wenn plötzlich ein menschliches Bedürfnis aufkam? Solche Gedanken gingen mir beim Aufstieg, der sich ewig lange hinzog, durch den Kopf. Es waren doch nur drei Kilometer bis zum Gipfel, für die wir aber fast 6 Stunden brauchten. Helmut war als erster am Gipfel.
War die ganze Quälerei umsonst? Von der Sonne nichts zu sehen. Hohe Wolkenfelder. Aber es war geschafft. Fotolicht ? Fehlanzeige. Es war bitter kalt. Der Abstieg zur Hütte war mehr ein unkontrolliertes „Schliddern“ im Geröllfeld als ein kontrolliertes Gehen.
Die Hütten kamen in Sicht. Zuerst einmal aufwärmen. Ein heißer Tee war schnell zubereitet, allerdings mit einem Esbit Kocher als Wärmequelle, dem Campingaz Kocher war es zu kalt. Wir nahmen unsere zurückgelassenen Sachen auf und machten uns auf den langen Weg zur zweiten Hütte. Vor uns lag eine bergab Wanderung von eigentlich zwei Aufstiegs- Tagesetappen, Ziel war die Mandara Hütte, dort gab es Matratzen auf den Holzpritschen. Und einen Kamin! Wir schafften den Abstieg von fast 6000 Metern Höhe auf 2700 Meter zur Hütte noch vor Einbruch der Dunkelheit. Wir waren alle sehr erschöpft.
Letzter Tag des Kilimanjaro-Abenteuers. Mit einem unbeschreiblichen Muskelkater wachten wir alle auf. Es half nichts, wir wollten und mussten zu den Fahrzeugen und dann noch zu der Missionsstation mit Krankenhaus, Schule und Kirche fahren, wo wir schon auf der Fahrt zum „Kili“ untergekommen waren. Dort angekommen köpften wir dann die Flasche GIN, die uns vom Goethe-Institut in Nairobi geschenkt worden war.
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