Weiter ging unsere Fahrt nach Süden in Richtung Zambia, deutsche Schreibweise Sambia. Bisher hatte das vorausschauende Betanken unserer Fahrzeuge eigentlich immer problemlos geklappt. Im Jahr 1966 hatte Tansania ca. 12 Millionen Einwohner, im Jahr 2021 waren es ca. 60 Millionen Einwohner. Somit hat sich die Bevölkerungszahl in den letzten 55 Jahren verfünffacht. Als wir 1966 mit unseren Fahrzeugen unterwegs waren, gab es gefühlt sehr „leere Landstriche“.
Nur selten sahen wir allein stehende Hütten. Hin und wieder trafen wir Einheimische, die zu Fuß unterwegs waren. Uns fiel wieder auf, was mein Bekannter aus dem Sudan in Bremen erzählte: Wer sein Dorf verlässt, hat eine Waffe dabei, niemand, egal ob Frau oder Mann, geht unbewaffnet in die Wildnis.
Alle paar hundert Kilometer fuhren wir durch Ansiedlungen oder nahmen solche im Vorbeifahren war, meistens ohne Supermarkt und ohne Tankstelle. Wir hatten es uns zur Gewohnheit gemacht, wann immer eine Tankstelle auftauchte, vollzutanken. Das hatte eigentlich auch immer geklappt. Nur im südlichen Tansania nicht.
Wir rollten an eine Tankstelle. Wir wunderten uns, außer dem Tankwart und einigen jungen Männern war niemand zu sehen. Keine Autos. Der wenige Verkehr auf der Straße fuhr an der Tankstelle vorbei. Bis zur Kleinstadt Dodoma war es nicht mehr weit. Wir wollten volltanken.
Der Tankwart blieb auf seiner Sitzgelegenheit sitzen und zuckte mit den Schultern. Wir versuchten ihm mit Handzeichen klar zu machen, dass wir tanken wollten. Er blieb sitzen wo er war. Also ging ich zu ihm. Er erzählte, dass er kein Benzin und kein Diesel mehr habe, die Tanks waren leer. Ich fragte, wann er denn wieder Nachschub an Kraftstoff bekommen würde. Er antwortete, die Firma wollte ihn nicht mehr beliefern. Die Welt wäre ungerecht zu ihm. Er würde jetzt einfach warten, bis die Tanks wieder gefüllt würden, dann könnte er wieder Benzin verkaufen, um von den Einnahmen seine Familie zu ernähren. Irgendwie war das ganze Gespräch etwas widersprüchlich. Ich hakte nach. Dabei kam sinngemäß folgendes heraus:
Er war von der Autoreparaturwerkstatt (die Automarke mit dem Stern sah man auf seinem Overall) wo er früher gearbeitet hatte, zu dieser Tankstelle „versetzt“ worden. Seine Aufgabe war es, Kraftstoffe zu verkaufen. Das hatte er auch gemacht bis die Tanks leer waren. Nach seinem Anruf bei der Lieferfirma kam der Tankwagen, um die Tanks aufzufüllen. Der Tankwagenfahrer prüfte wie viel Sprit in die Tanks gepumpt werden konnte. Dann wollte der Fahrer plötzlich VORHER Geld von ihm haben, bevor er den Sprit in die Tanks einfüllen wollte. Das Geld hatte er aber nicht mehr. Nach seiner Auffassung hatte er doch den Sprit verkauft, also war das seine Einnahme mit der er seine Familie versorgen musste. Er verstand nicht, dass die Einnahmen für den verkauften Sprit nicht ihm gehörten.
Ich bohrte nach, warum gerade er von der Autowerkstatt zur Tankstelle „versetzt“ worden war. Er erzählte, er sei in der Schule gut im Rechnen gewesen. Deshalb habe man ihn zur Tankstelle geschickt. In der Werkstatt gab es Streit mit dem Chef. Das wollte ich genauer wissen. Langsam rückte er damit raus. Er präsentierte in etwa folgende, unglaubliche Geschichte:
In der Autowerkstatt seines Onkels hatte er das Reparieren von Autos und Motoren „gelernt“. Eine Lehre in unserem Sinn war das aber offensichtlich nicht. Sein letzter Auftrag in der Werkstatt: bei einem LKW das Motorenöl wechseln, das Kühlwasser ablassen und neues Wasser mit Korrosionsschutz auffüllen. Das neue Motorenöl hatte er in den Kühler gegossen, das Wasser in den Motor eingefüllt. Bei der Probefahrt war dann der Motor kaputt noch bevor der LKW den Betriebshof verlassen hatte. Das gab Ärger, erzählte er weiter. Rausgeflogen sei er nicht, denn sein Onkel war der Inhaber der Firma. Ich wollte wissen, wie er denn auf die Idee gekommen war, das Motorenöl nicht in den dafür vorgesehenen Einfüllstutzen zu gießen. Die Antwort machte mich sprachlos. Seine Antwort war: Das Öl hätte doch wissen müssen, wo es hin muss. Wenn er mit Magen-schmerzen zum Doktor ging, gab der Doktor ihm „pink pills“. Ging er mit Kopfschmerzen zum Doktor, gab der ihm auch „pink pills“, Die Pillen wüssten doch auch wo sie hin müssten, wieso nicht das Motorenöl? Soweit die Denkweise dieses „gelernten Autoschlossers“.
Helmut und Heinz bei "IHRER" Beschäftigng unserer Reise
Wenn uns diese Geschichte heute passieren würde, wäre die erste Frage: WO IST DIE VERSTECKTE KAMERA? Genauso hatten die Missionare uns die Tankstelle zuvor beschreiben, eine sehr verworrene und unglauliche Geschichte.
Die Fahrzeuge betankt und unsere Reservekanister aufgefüllt haben wir dann in der Stadt Dodoma. An der dortigen Tankstelle konnten wir dann auch die Halterung des ausgerissenen rechten vorderen Stoßdämpfers schweißen. Die Staubstraßen Afrikas waren von der „Fahrbahn“ Oberfläche und Beschaffenheit her am besten mit Wellblech zu vergleichen.
Abends liefen wir wieder eine Missionsstation an.
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