Die Schnellstraße, gebaut wie unsere Autobahn, endete in einem großen Kreisverkehr neben dem 22-stöckigen Sanlam Gebäude. Genau wie es mein Freund Klaus beschrieben hatte. Kurze Zeit später traf Klaus ein. Große Begrüßung. Er lotste uns zu seinem Haus in dem Neubaugebiet, das Bothasig hieß. Das lag, wie wir in Deutschland sagten, „auf der grünen Wiese“. Es sah eher wie eine sandige Steppe“ aus. In dem Neubaugebiet gab es noch keine asphaltieren Straßen, waren wir wieder in der Wildnis? Klaus´ Ehefrau Marion hatte uns schon gehört, so laut röhrten unsere defekten Auspuffanlagen. Da störte es nicht, dass die Hupen unserer Autos nur noch krächzten.
Klaus und seine Frau Marion kannte ich aus Bremen. Klaus war der Gründer und der erste Vorsitzende vom Heinkel-Motorroller-Club Bremen. In den 60er Jahren „fuhr man Motorroller“, entweder Vespa oder Heinkel. Ich fuhr einen Heinkel. Klaus war mit Frau und Tochter Anfang der 60er Jahre nach Südafrika ausgewandert. Als Architekt hatte er es innerhalb von 3 bis 4 Jahren „zu etwas gebracht“.
Das bin ich auf meinem HEINKEL, der mit der Brille
Marion hatte zur Begrüßung, wie von Klaus in Bremen versprochen, den roten Sekt kaltgestellt.
Am Abend lud uns Klaus zum „Grillfest“ hinter seinem Haus ein. Natürlich wurde von ihm auch die berühmte Boerewors gegrillt, die uns sehr gut schmeckte. Wir hatten uns angewöhnt, immer so viel wie möglich zu essen, denn auf der Reise wusste man nie so genau, wann es die nächste Mahlzeit geben würde (Kahlfraß- Methode). Dazu floss reichlich Bier durch unsere Kehlen, in S.W. Afrika nach deutschem Rezept gebraut.
Aus Südwestafrika wurde später Namibia. Es war ein sehr langer Abend. Am nächsten Morgen, „gleich nach dem Frühstück“, so um ½ 12 Uhr, als wir unseren Rausch einigermaßen ausgeschlafen hatten, zog es uns an die Tafelbucht. Wir wollten endlich den Tafelberg und die Tafelbucht als Ganzes sehen.
Es wurde fotografiert was das Zeug hielt. Jeder mit seinem Fotoapparat und aus seiner Perspektive.
Wir waren sehr euphorisch und wollten nach Kapstadt. Kapstadt ist nicht so eng „verbaut“ wie Johannesburg. Es fiel auf, die Stadt verfügt über sehr viele Häuser in „kolonialem“ Baustil. Da war z.B. das alte Rathaus.
Die Straßen waren voller Menschen. Der Umgangston erschien uns „locker“. Es gab alles zu kaufen was das Herz begehrte. In der deutschen Buchhandlung gab es sogar die Bildzeitung vom Vortag, ein deutscher Schlachter warb in seinem Schaufenster für seine Aufschnittwurst. Ein Tabakwarenhändler hatte deutsche Zigaretten in seinem Angebot.
Genauso bunt wie das Angebot an Waren, war das Sprachengemisch in den Straßen. Alles verlief sehr geordnet. Um auf den Bus zu warten, stellte man sich in einer Schlange bei der Bushaltestelle an. Sehr englisch. Das Verlagshaus der Zeitung Cape Argus fanden wir sehr schnell. Die wollten gleich am nächsten Tag einen Bericht mit Bild über uns bringen. Von dort wurden wir wie Exoten an die Rundfunkanstalt „weitergereicht“. Das „Interview“ mit uns wurde zur Hauptsendezeit in einer Art Nachrichtensendung ausgestrahlt.
Im Kaufhaus Stutterfords beobachtete ich, wie man sich einem „Colored“ Fahrstuhlführer gegenüber verhielt. ("Coloreds" wurden die Mischlinge genannt, die es gemäß der Apartheid-Doktrin eigentlich nicht geben durfte). Es stand ein Herr (Europäer) mit Hut vor dem Fahrstuhl. Der Fahrstuhl hielt. Die Tür öffnete sich. Der Herr nahm seinen Hut ab und sagte zum Fahrtstuhlführer „third floor, please“ und stieg in den Fahrstuhl. War das der angeblich „ruppige“ Umgangston der weißen Südafrikaner ihren nicht weißen Landsleuten gegenüber? Diese Szene hätte sich in London in gleicher Weise abgespielt haben können. Die Leute waren höflich und freundlich im Umgangston. Das war eben das Besondere an Kapstadt.
Den Tafelberg konnte man eigentlich von überall in Kapstadt sehen. So wie auf diesem Bild, aufgenommen vom Höhenzug mit dem Namen „Löwenkopf“.
Ein westlicher Vorort von Kapstadt lag der Ort Seapoint. Dieser Vorort am Fuß des Löwenkopf war ein sehr begehrtes Wohnviertel, mit täglichem Sonnenuntergang im Meer. Wer hier baden wollte, sollte aber abgehärtet sein. Die Wassertemperatur betrug auch im Sommer nur 15 Grad C. Die kalte Benguel-Meeresströmung kommt von Südpol und fließt weiter nach Norden, an der Küste entlang bis Namibia.
Ortsteil Seapint, vom Tafelberg aus gesehen
Unser Ziel Kapstadt war erreicht. Nun galt es Abschied zu nehmen. Henner bekam von seinen Eltern eine Flugkarte für den Heimflug zugesandt. Seine Abreise fand kurz darauf statt. Helmut hatte auf einem Schiff der Reederei Fisser & van Dornum angeheuert, um sich „rüber zu arbeiten“. Das war in den 60er Jahren eine gängige Methode. Heinz trat auch kurz nach Übergabe „seines“ VW Busses an die Käufer aus Jo´burg, seine Heimreise an.
Kapstaft mit dem Berg TEUFELSKOPFim Hintergrund
Ich hatte beschlossen noch etwas zu bleiben. Klaus besorgte mir einen Job als Schlosser bei der Firma Cape Steel Construction Pty.Ltd. Ich hatte das Handwerk des Maschinenschlossers erlernt, das war die Vorbedingung für das Studium zum Maschinenbau Ingenieur in Bremen. Bei Cape Steel sollte ich als Reparatur-schlosser arbeiten. Es kam etwas anders. Man brauchte für einen dringenden Auftrag Leute, die Stahltürrahmen und Stahltüren bauten und montierten. Egal. Das kam mir sehr entgegen denn ich hatte während des Stdiums einem Lehrgang mit dem Namen KiS belegt. Das hieß Konstruieren in Stahlblech. Der Stundenlohn von 1,15 Rand, also 5,85 DM lag weit über dem Stundenlohn eines Schlossers in Deutschland (damals ca. 1,90 DM/ Std.). Ich wollte schnell Geld verdienen. Gewohnt habe ich bei Marion und Klaus und zahlte dort „Kostgeld“.
An den Wochenenden erfolgten viele Ausflüge. Auf den Tafelberg fuhr ich per Seilbahn, auf den Löwenkopf kletterte ich zusammen mit Klaus. Das Kap der Guten Hoffnung gehörte zum „Pflichtprogramm“. Ein weiterer Anziehungspunkt war der Hafen von Kapstadt. Die Amüsiermeile „Waterfront“ gab es 1966 in der heutigen Form noch nicht. Aber von überall warf ich einen Blick auf den 1000 Meter hohen Tafelberg. Der Berg hatte mich schon immer fasziniert.
Wochentags beschäftigte ich mich abends mit der „Auflösung“ des Unternehmens Moby Dick. Es gab noch viel zu erledigen.
Da waren die Berichte für die Firmen, die uns mit kleinen Sach- und / oder Geldspenden unterstützt hatten. Die Leute von der Zeitung hatten mir ca. 30 Ausdrucke des Artikels über unsere Ankunft in Kapstadt zugeschickt. Diese fügte ich den Dankesbriefen bei. Abends zog es mich hin und wieder zum Blouberg Strand, um mir den beleuchteten Tafelberg anzusehen.
Lichtschau am Tafelberg, Unterer Bildrand; die Lichter von Kapstadt
Wie heißt ein Sprichwort im Deutschen: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Auf einer wenig befahrenen Nebenstraße fuhren, Klaus mit Familie in seinem NSU Prinz, ich im Moby Dick Bus zum STEENBRASDAM. Das war ein beliebter Ort an dem man am Wochenende grillen konnte.
Am Fuß eines Berges neben der Straße hatte ich verlassenes Dorf entdeckt.
Mein Freund Klaus wollte eigentlich nicht anhalten. Aber meine Neugierde war geweckt. Neben den Trampelpfaden zum Dorf sahen wir Löcher in der Erde, konnten uns aber Reim darauf machen. In solchen Situationen, einer fremden Umgebung im unübersichtlichen Gelände war ich eigentlich immer sehr aufmerksam. Aber wohl nicht aufmerksam genug.
Plötzlich spürte ich einen Schmerz in der rechten Wade. Eine Schlange hatte zugebissen. Nicht groß. So ungefähr einen Meter lang. Mir schoss es sofort wieder durch den Kopf, was mein sudanesischer Bekannten aus Bremen mir eindringlich geraten hatte: Wenn dich etwas beißt der sticht und du nicht genau weißt was es war, töte es und nimm es mit zum Arzt. Wie soll der Arzt sonst wissen, wie er dich behandeln soll?
Nun hatte ich ja seit Monaten die Angewohnheit, wenn immer ich in fremdes Gelände ging, die Doppelflinte, Marke Sauer & Sohn vom Kaliber 12 mal 70, dabei zu haben. Ein Lauf war immer mit „Posten“, der andere mit einem Flintenlaufgeschoß geladen. Der Schuss mit den Posten hatte so ziemlich „Ragout“ aus der Schlage gemacht, aber Klaus konnte sie in einen Plastik Eimer legen und ich konnte sie mitnehmen. Zu Glück stellte der Arzt fest, es war keine Giftschlange. Eine heftige und langwierige Infektion war trotz Behandlung aber die Folge. Na ja, wieder eine Narbe mehr.
Die oben erwähnten, etwa armdicken Löcher in der Erde, sollten von Schlangen bewohnt sein, auch die Pythons sollten dort leben. Das war auch der Grund, warum die Einwohner ihr Dorf verlassen hatten, erzähle uns ein Mitarbeiter des Arztes. Er kannte die Gegend genau.
Während unserer achtmonatigen Reise hatten wir 28.818 Kilometer von Bremen bis nach Kapstadt zurückgelegt. Auf dieser Strecke verbrauchte „mein gelber Bus“ laut Fahrtenbuch 3.718 Liter Benzin, also ca.13 Liter pro 100 Kilometer. Die Anzahl und Art der Reparaturen habe ich in einem gesonderten Bericht mit dem Titel „warum ich nie wieder einen VW kaufe und fahre“ niedergeschrieben und im Anhang RESÜMEE beigefügt.
Nachdem ich den zweiten Bus und die Ausrüstung verkauft hatte, war das UNTERNEHMEN MOBY DICK damit Geschichte. Auch ich konnte mich auf den Heimweg machen.
Am 26. September 1966, also 2 Monate nach Ankunft in Kapstadt, saß ich im Zug nach Johannesburg. Die Fahrzeit betrug ca. 30 Stunden. Im Schlafwagen war die Reise per Bahn sehr angenehm. Die Spurweite in Südafrika beträt einen Meter. Es war eine etwas "ruckelige" Fahrt, trotz 1.Klasse Abteil. In Jo´burg stieg ich in den Zug nach Lourenço Marques (heute = Maputo) um. Fahrzeit ca. 10 Stunden. Eine Übernachtung hatte ich zusammen mit dem Flug in einem sehr guten Hotel mit tropischem Garten und Swimmingpool gebucht.
Während unserer Reise konnten wir nie in Flüssen und Seen baden, denn die Gefahr, sich mit Bilharzia zu infizieren, bestand in ganz Afrika im Uferbereich aller Gewässer.
Im Hotel wartete ich einen Tag auf den Abflug und genoss den Tag am und im Pool.
Das Flugzeug war eine 4-motorige Bristol Britannia Turboprop Maschine der Schweizer Fluggesellschaft GLOBE AIR. Es gab zwei Zwischenlandungen zum Auftanken. Eine in Nairobi und eine in Bengasi (Libyen) Der Flug nach Amsterdam dauerte mit Zwischenlandungen ca. 28 Stunden.
Meine Mutter hatte meinen Vater überredet, mich aus Amsterdam abzuholen. Sie fotografierte die angekommene Maschine. Zu dem Flugzeug gab es Monate später einen Bericht in der Presse, der im Resümee steht.
Per Eisenbahn trat ich zusammen mit meinen Eltern die letzte Etappe meiner Expedition von Amsterdam nach Bremen an.
Damit enden meine Reiseaufzeichnungen. Anmerken möchte ich noch, dass alle meine in Afrika erstandenen Souvenirs auf dem Seeweg von Kapstadt nach Bremen von freundlichen Stewards mitgenommen worden waren. Ich hatte mehrfach Stewards der DOAL zum Grillen eingeladen oder hatte ihnen die Umgebung von Kapstadt gezeigt. Wie war das noch: Beziehungen schaden nur dem, der keine hat.
Eines hatten wir Vier uns vor der Abfahrt auf die große Reise vorgenommen und immer zu beherzigen versucht:
Benimm Dich in einem Gastland als Gast und respektiere die Sitten und Gebräuche der Einheimischen.
Damit waren wir gut durchgekommen.
Es folgt noch ein Kapitel mit dem Titel RESÜMEE mit Informationen und Hintergründen.
Comments