Nachdem wir die Stätten des alten Ägyptens, Luxor, Karnak, das Tal der Könige und den Tempel der Hatschepsut besucht hatten, stand die nächste Herausforderung an. Durchquerung der nubischen Wüste nach Port Sudan.
Mich hatte irgendein Fieber erwischt. Der Besuch bei einem Arzt in Edfu brachte eigentlich nichts. Entweder hatte mich mal wieder ein Vieh gestochen, auf das mein Immunsystem mit Fieber reagierte oder ich hatte ich etwas „falsches“ gegessen. Jedenfalls hatte ich Fieberschübe zwischen Normaltemperatur und 40,8 Grad C. Eigentlich keine guten Voraussetzungen für eine Wüstendurchquerung, die mehrere Tage in Anspruch nehmen würde.
Am 21. Januar 1966 starteten wir zum Abenteuer der Wüstendurchquerung. Bis Ports Sudan sollte das bis zum 24..Januar 1966 dauern.
Gemäß der Straßenkarten des Buches TRANS AFRICAN HIGHWAYS vom Südafrikanischen Automobil Club (AA) hatten wir die Route entlang „am Roten Meer“ gewählt. Die Wüstenpiste startet in Marsa Alam. Marsa Alam war eine Ansammlung von einigen Hütten am Roten Meer, auf keiner Karte eingezeichnet. Wir fuhren am 21. Januar 1966 von Westen kommend auf das Rote Meer zu. Die Straße mündete in eine Nord-Süd Piste ein. Wir mussten nach Süden. Nach einigen Kilometern eine Hütte an der Piste, eine ägyptische Kontrollstation. Jeder Reisende, jedes Fahrzeug, ob LKW, Bus, Camper oder Motorrad MUSS sich registrieren lassen. Die Daten würden (so erklärte man uns) an die ägyptische Kontrollstation an der Grenze zum Sudan durchgegeben. Dadurch könnte man feststellen, wer evtl. in der Wüste „verloren gegangen ist“. Hörte sich gut an. Ferner müsste zur Sicherheit im Konvoi gefahren werden. Soweit, so gut.
Unsere Benzinkanister, 5 Stück a 20 Liter pro Auto waren ebenso gefüllt wie die eingebauten Tanks in unseren VW-Bussen. Pro Kopf hatten wir ferner je einen 20 Liter Wasserkanister als Reserve plus die Wasservorräte im Wagen. Die Karawane bzw. der Konvoi konnte, nach Erledigung der Formalitäten, starten.
Nach wenigen Kilometern, die Piste war zu Ende, liefen die Fahrspuren auseinander wie ein Fächer oder wie ein auf breit gestellter Laub- Rechen. Außer unseren zwei Fahrzeugen war kein Fahrzeug des Konvois mehr auszumachen. Keiner wollte den aufgewirbelten Staub des voraus fahrenden schlucken, auch für die Motoren der Fahrzeuge war Sand in der Ansaugluft nicht verträglich. Unsere Wagen hatten je einen Kompass eingebaut.
Die grobe Richtung hieß: SÜDEN. Links sollte das Rote Meer liegen, war aber nicht zu sehen. Rechts ein Höhenzug. Gute Orientierung. Das Vorankommen war teils mühsam. Folgte man den alten LKW Spuren lief man Gefahr aufzusetzen. Fuhr man seine eigene Spur landete man im Sand. Das kannten wir ja schon vom Sinai, von der Fahrt durch das Wadi zum Katharinenkloster. Nach landläufiger Vorstellung ist die Wüste ein Riesensandkasten. Dem ist nicht so. Die Nubische Wüste auf unserer Route war teils flach mit festem Untergrund, teils sandig mit tief ausgefahrenen LKW Spuren, wobei die Spurweite nicht der unserer VW Busse entsprach. So kam es wie es kommen musste: schaufeln, Autos ausgraben, Sandbretter unterlegen, neue Spur suchen. Manchmal schafften wir gerade einmal 20 bis 25 km am Tag. Würden unsere Benzinvorräte reichen? Sie reichten, wenn auch mal so gerade eben.
Zur Orientierung ein paar Entfernungsangaben für die Durchquerung der Nubischen Wüste:
Edfu - Marsa Alam ca. 280 Km Piste
Marsa Alam - Grenze Ägypten / Sudan ca. 400 Km „Spuren im Sand“
Grenze Sudan - Port Sudan ca. 370 Km „Spuren im Sand“
Port Sudan -Kassala ca. 570 Km teilweise Piste
Kassala - Tessenei / Eritrea ca. 60 km Piste
Gesamtstrecke ca.1.680 Km also etwa die Strecke von Hamburg nach Salzburg und zurück, über Feldwege.
Die Kontrollstation an der Grenze Ägypten / Sudan hatten wir nicht gefunden. Waren wir einer „falschen“ Fahrspur gefolgt? Somit keine Feststellung ob alle in Marsa Alam abgefahrene Fahrzeuge auch angekommen waren. Einige Kilometer vor Port Sudan, die Stadt war schon am Horizont zu erkennen. Stop an einer sudanesische Kontrollstation. WOHER KOMMT IHR? WO WOLLT IHR HIN? HABT IHR EIN „Travel Permit“? WIEVIEL GELD HABT IHR DABEI? Die Pässe, die Impfpässe und die Fahrzugpapiere bitte, lautete die monoton „abgespulte“ Ansage der Grenzpolizei (?). Nun stand zu vermuten, dass der Uniformierte möglicherweise nicht alles gelesen und / oder verstanden hatte, was wir ihm vorlegten. Denn er schaute sich das alles an und sagte lakonisch: „follow that car“ und wies auf eine Art Polizei Jeep. Wir folgten dem Jeep und landeten im Gefängnishof am Rande von Port Sudan. Dort begrüßten uns schon andere „inhaftierte“ Reisende mit Ihren Autos. Der Jeep verschwand und wir wussten nicht so recht was uns geschehen war.
Erst am nächsten Morgen wurden wir einem uniformierten Offizier „vorgeführt“. Als wir ihm unser „Travel Permit für den Sudan“ und das Empfehlungsschreiben seines Präsidenten vorlegten, hatten wir das einmalige Erlebnis zu sehen, wie ein Schwarzafrikaner sehr blass um die Nase wurde. Er entschuldigte sich wortreich, man sah es ihm an, es war ihm sichtlich peinlich. Er bat uns, mit niemandem über unserer „Verhaftung“ zu sprechen. Wir wären nun seine Gäste und könnten uns natürlich frei bewegen. Nur: bitte nicht fotografieren und filmen, denn das Gefängnis und die Polizeistation durften nicht fotografiert werden. Das versprachen wir.
Da ich immer noch mit den wiederkehrenden Fieberschüben zu tun hatte, organisierte der Offizier eine Aufnahme in das örtliche Krankenhaus. Heinz fuhr mich hin, geleitet von einem Polizeifahrzeug. Im Krankenhaus erfolgte eine gründliche Untersuchung, Blut, Urin, Hals, Zähne, Blutdruck, Ultraschall des Bauchraumes, Lunge, alles wurde untersucht. Stunden später erklärte mir der zuständige Arzt: „sie haben eine Art von Malaria Fieber, das bekommen wir wieder hin“. Dann kam eine nicht mehr ganz junge deutsche Krankenschwester, die sehr nett und bemüht war. Ein Pfleger „knüppelte“ mit kalten Wadenwickeln und Kopfkompressen innerhalb kurzer Zeit das Fieber runter. Aufstehen konnte ich nicht, ich bekam schwarze Ringe vor den Augen. Die Pflege im Krankenhaus war vorbildlich (stellte sich die Frage: hatte der Polizei – Offizier hier etwas nachgeholfen?). In den folgenden Tagen konnten die drei H`s täglich ins Krankenhaus kommen und mich besuchen, natürlich immer zufällig zur Essenszeit. Sie wurden mit verpflegt. Bezahlen musste ich nichts für den Aufenthalt und die Pflege. Hatte der Polizeichef da evtl. „auch etwas gedreht“?
Nach 5 Tagen wollten wir weiter. Ich musste dem Arzt versprechen, in den nächsten Tagen noch nicht Auto zu fahren. Die Medikamente hätten mein Reaktionsvermögen herabgesetzt.
Am 1. Februar 1965 starteten wir von Port Sudan in Richtung Kassala. Wir fuhren wieder im Konvoi, bestehend aus 5 Fahrzeugen. Die anderen „Inhaftierten“ hatten zwischenzeitlich auch ihre Fahrerlaubnis für den Sudan erhalten und teuer bezahlen müssen. Die Strecke von Port Sudan nach Kassala war fast so wie die Strecke nach Port Sudan. Viele Fahrspuren im Sand. Also auf „Gut Glück“ eine Fahrspur finden. Wie war das doch gleich im Supermarkt an der Kasse bei Hochbetrieb? Man stellt sich immer an der “falschen“ Kasse an. So folgten wir mal wieder einer Fahrspur die im Sand endete. Also die Bretter und die Schaufeln vom Dach und das Auto ausbuddeln.
Man fragt sich, wovon leben Sandvipern in der Wüste? Eine solche haben wir versehentlich überfahren.
Da die Schlange sich noch bewegte, aber wohl keine Überlebenschance hatte, musste ich sie mit einem gezielten Schuss aus meiner 9 mm von ihrem Leiden erlösen.
Beim Lehrgang zur Erlangung des Jagdscheins lernt man u.a., wann man einem Tier den Fangschuss geben muss. Das Tier sollte nicht unnötig leiden müssen. (Das Bild der Schlange ist ein Archivbild aus dem Internet)
Als Teilnehmer des Jagdschein - Lehrganges konnte ich in Bremen legal Waffen erwerben. Nicht ganz legal war es möglicherweise, diese Waffen „im Transit“ durch die bereisten Länder mitzunehmen. Aber was hatte mein sudanesischer Bekannter von der Baumwollbörse Bremen mir beigebracht: Sei niemals unbewaffnet. Anmerken möchte ich noch, es war zu Anfang schon etwas gewöhnungsbedürftig nachts mit einer geladenen Pistole unter dem Kopfkissen zu schlafen.
Irgendwo zwischen Kassala (Sudan) und Tessenei (Eritrea) ist die Grenze. Am 7. Februar 1966 hatten wir es geschafft. Die Wüste lag hinter uns. Wir waren durch! Man merkte es auch daran, die Sandpiste (oder besser der Feldweg) wurde zur Schotterstraßen. Wir mussten in Eritrea sein! Die Wüstenquerung hatte den Bussen schwer zugesetzt. In Kassala wurde noch das letzte sudanesische Geld für Benzin und Verpflegung ausgegeben. Von nun an galt wieder Rechtsverkehr. Die Uhren mussten erneut umgestellt werden. Jetzt waren wir also 2 Stunden vor der MEZ. Als Übernachtungsplatz bot uns ein Offizier des äthiopischen Militärs an, vor dem Militär - Camp unsere Wagenburg aufzubauen. Nach einer ruhigen Nacht gelang es Henner, unserem „Küchenchef“, am nächsten Morgen in der Militärkantine frische Brötchen zu kaufen! Ein Festmahl, fast wie Sonntags zu Hause.
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